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Eine neue Garde - 2020 Edition

13.11.2020 - 22:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Eine neue Garde - Seite 1
Patrick Kracke
Eine neue Garde - Seite 1
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Wir leben aktuell in merkwürdigen Zeiten, die Kinos sind wieder einmal zu und wenn neue Filme erscheinen, dann über Streamingdienste. Viele Projekte wurden auch verschoben ins Jahr 2021 mit der Hoffnung, dass die Leute dann wieder in die Säle stürmen. Ich möchte aber eher ein Blick hinter die Kulissen wagen und schaue mir ein paar vielversprechende Regisseur_innen an, welche in Zukunft das Kino oder die Filmbranche mitprägen könnten. Bereits im Jahr 2017 habe ich zwei Blogartikel geschrieben in denen ich mich mit damals vielversprechenden Regisseur_innen auseinander gesetzt habe. Hier befinden sich keine Doppelungen, kann also sein dass andere große Talente schon damals erwähnt wurden. Einzige Vorraussetzung für mich war, dass man unter 50 Jahre alt ist und noch aktiv im Business ist.

Chloé Zhao

Bisher gesehen: The Rider


Ich bin nicht einmal der größte Fan von ihrem Erstlingswerk The Rider, aber was Chloe Zhao das aus ihren Darstellern rausholt und die emotionale Wucht die Sie im Laufe der Geschichte entwickelt, hat mich schon sehr gepackt. Dazu war das alles äußerst schön gefilmt und inszeniert. Ich kann ja nur voller Hoffnung sein, dass Chloe Zhao sich steigert und sich als einer der spannendsten Regisseurinnnen etablieren kann. Nomadland hat ja schon den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen und die Kritiken sind so gut, wie ich sie zuletzt bei Parasite gesehen habe. Ein Manko gibt es: Sie inszeniert wohl bald für Marvel, da kann man nur hoffen, dass sie ihr Talent nicht allzu lange an den Disney-Konzern verschwendet.

Nächster Film: Nomadland (Kinostart: 04.02.2021)


Chloe Zhao am Set von Nomadland


Benny Safdie & Joshua Safdie

Bisher gesehen: Good Time & Der schwarze Diamant


Benny und Josh Safdie schafften es mit ihren letzten beiden Filmen (Good Time, Der schwarze Diamant) wie keine Zweiten, urbanes Kino zu projizieren. Hektisch, laut und grimmig ziehen ihre Figuren Kreise durch New York und schlittern von einem Elend ins nächste. Es sind die Glücklosen und Getriebenen die hier porträtiert werden, selten werden diesen Menschen heutzutage noch solche Filme gewidmet. Die Filme der beiden sind Gratwanderungen zwischen Gangsterdrama, Psychogramm und Milieustudie und gehören zu dem besten und spannendsten was das Kino aktuell zu bieten hat.

Nächster Film: ?


Benny & Joshua Safdie mit Adam Sandler am Set von Uncut Gems


Cory Finley

Bisher gesehen: Vollblüter & Bad Education


Über Cory Finley findet man recht wenig, nicht einmal ein Geburtsdatum, jedoch lässt sich sagen, dass er ein wahrer Rohdiamant ist. Vollblüter war einer der interessantesten Filme der letzten Jahre, eben wegen seiner inszenatorischen Eleganz, der einnehmenden Atmosphäre und den beiden herausragenden Hauptdarstellerinnen. Auch mit Bad Education setzte er wieder seine Standpunkte. Es ist schwer seine Filme in passende Genre zu packen: Schwarze Komödie, Thriller, Drama oder Groteske, alles findet irgendwie bei den beiden Filmen Anwendung. Vor einigen Jahren wäre ein Film wie Bad Education mit Sicherheit ins Kino gekommen und hätte höhere Wellen geschlagen. Vielleicht liegt Finleys Zukunft eher bei Streamingdiensten wo er Mid-Budget-Produktionen und Serien inszenieren wird. Ein Schicksal welches wohl viele derer hier vertretenen ereilen wird...

Nächster Film: ?


Mike Makowsky, Cory Finley und Hugh Jackman am Set von Bad Education


Greta Gerwig

Bisher gesehen: Lady Bird & Little Women


Wer hätte schon gedacht, dass sich Greta Gerwig direkt so als Regisseurin etabliert. Ich nicht. Als Ikone des amerikanischen Independentfilms war sie ja schon länger bekannt und so kam es sehr überraschend für mich, dass sie direkt zwei so qualitativ hochwertige Filme herausbrachte. Mittelpunkt ihrer Filme bilden jeweils junge Frauen die sich in der Welt zurechtfinden müssen, ihren Platz suchen in einer von Männern geprägten Welt und in der die Wege vorgegeben scheinen. Mit viel Humor und Herz begeben sich ihre Figuren auf eine Reise ins Leben, die eben nicht der Norm entspricht und die mit Konventionen bricht.

Spannend wird es wie sie ihr nächstes Projekt angehen wird - Eine Realverfilmung von Barbie. Wie viel lässt sich aus der Puppe herausholen, wenn man mal genau zeigt wofür ein solches Spielzeug überhaupt steht? Wenn es eine Regisseurin schafft daraus einen interessanten und klugen Film zu machen, dann Greta Gerwig.

Nächster Film: Barbie (angekündigt)


Saoirse Ronan und Greta Gerwig am Set von A24


Jordan Peele

Bisher gesehen: Get Out & Wir


Jordan Peele ist ein Tausendsassa. Regisseur, Autor, Darsteller, Comedian, Synchronsprecher, Produzent. Alles ist in seiner Vita zu finden. Gerade mit seinem kongenialen Partner Keegan-Michael Key war er über Jahre hinweg eine Institution wenn es um Sketche oder kurzweilige Auftritte in Funk und Fernsehen ging (Fargo). Mit Get Out und Wir schuf er zudem zwei der veritabelsten Horrorfilme der letzten Dekade, in dem er Comedy mit Horror verband und das nutzt um gesellschaftliche Probleme offen anzusprechen. Natürlich hat er sich nicht auf das Regiefach beschränkt und hat seine Finger in etlichen anderen Produktionen im Spiel, als Autor für Candyman, als Produzent und Autor für The Last O.G. und Lovecraft Country. Auf eine weitere Regiearbeit wird man sicherlich nicht lange warten müssen.

Nächster Film: ?


Jordan Peele am Set von Get Out


Ari Aster

Bisher gesehen: Hereditary - Das Vermächtnis & Midsommar


Hereditary schaffte es dem Horrorgenre ordentlich frischen Wind zu verpassen und das Ganze ohne große Innovationen im Bereich Story oder Setting. Es sind die inszenatorischen Feinheiten von Ari Aster, der hier ausspart wo Andere klotzen. Er vermag es kleinste Momente bedrohlich wirken zu lassen, einfach durch klugen Spannungsaufbau und Suspense. Dazu werden diese nicht durch billige Jumpscares kaputt gemacht, sondern er vertraut seinen atmosphärischen Bildern um das Grauen zu bannen. Beide Filme sind zudem in ihrer Rezeption auf viele Arten zu lesen. Es könnten übernatürliche Phänomene sein, Trauerbewältigungen, Drogeninduzierte Halluzination oder Psychosen etc. Mit Midsommar hat er sein Filmschaffen nochmal weitergedacht, noch radikaler, noch entfesselnder kommt dieser Ausnahmefilm daher. Stellt sich die Frage ob er vorerst weiter beim Horrorfilm bleibt oder sich in Zukunft auch an andere Genres wagt.

Nächster Film: ?


Ari Aster und Toni Collette am Set von Hereditary


S. Craig Zahler

Bisher gesehen: Bone Tomahawk & Brawl in Cell Block 99 & Dragged Across Concrete


Zahlers Kino wirkt wie aus einer anderen Zeit. Western, Exploitation, Horror, Polizeifilm. Es ist als hätte er das Kino der 70er einmal inhaliert und prustet uns es jetzt komplett in seiner ganz eigenen Form zurück auf die Bildschirme. Es wird schmutzig gelebt, es wird schmutzig und brutal gestorben in Zahlers Filmen. Seine Figuren sind keine Helden, sie werden nicht geläutert und Zahler bietet auch nicht eine Form von Moral oder Gerechtigkeit. Ausschweifig und rau brettern die Protagonisten in den Filmen durch ihre eigene Odyssee, diese ist lang und malträtierend, oft brutal, manchmal ironisch. Was es immer ist - stilvoll. Aber können solche Filme in Zukunft noch im Kino laufen oder sind sie vielleicht sogar bei experimentierfreudigeren Streaminganbietern besser aufgehoben.

Nächster Film: Hug Chickenpenny (Pre-Production)


S. Craig Zahler und Mel Gibson am Set von Dragged Across Concrete


David Robert Mitchell

Bisher gesehen: It Follows & Under the Silver Lake


Ein weiterer junger Filmemacher aus den USA der seinen Durchbruch mit einem Horrorfilm feierte. Mitchell inszenierte und schrieb It Follows, einen der besten Horrorfilem des Jahrzehnts. Er knüpft mit ihm nahtlos an das Paranoiakino der 70er Jahre an, die Gefahr lauert überall, hat keine haptische Hülle und ist stetig. Er spielt eben jene dauerhafte Bedrohung gegen den Zuschauer aus um alles zur Gefahr werden zu lassen. Atmosphärisch bewegen wir uns irgendwo zwischen 80er und frühen 2010er Jahren. es ist allgemein schwer seine Filme zeitlich einzuordnen. Auch Under the Silver Lake, folgt diesem Schema. Obwohl vieles auf die 90er Jahre hinweist, gibt es Anzeichen dass es die Gegenwart ist. Mit diesem Film wagte Mitchell ziemlich viel. Es ist ein pulpiges, verwirrendes Zitatespiel. Mischung aus skurriler Krimihandlung und philosophisch-verschwörischer Hängerkomödie, mit einer kleinen Prise David Lynch. Eine Ode an L.A. Spannend wird zu sehen an welches Projekt er sich als nächstes wagt.

Nächster Film: ?


Andrew Garfield/ David Robert Mitchell



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